Die Grubenbahn nach Friedrichssegen
Blei- und Silberbergwerk Friedrichssegen, Oberlahnstein (1880-1913)
Streckengeschichte:
Als erste Zahnradbahn in Preußen wurde am 8. November 1880 die 2,67 km lange
Grubenbahn der seit 1854 bestehenden "Anonymen-Actien-Gesellschaft des Blei- und
Silberbergwerkes Friedrichssegen" nach rund einem Jahr Bauzeit eröffnet. Der Bau
wurde vom Ing. A. Kuntze aus Wiesbaden geleitet. Bei der Planung berücksichtigte
man die Erfahrungen auf der zuvor beschriebenen Bahn in Wasseralfingen ebenso,
wie die Möglichkeit einer Drahtseilbahn, wie sie bereits in Eiserfeld/Sieg,
Anxbach bei Linz/Rh. und in Braunfels/Lahn existierten.
Da es möglich sein sollte, an beliebiger Stelle des Erzbachtals Güter zu
verladen, schied eine Drahtseilbahn aus. So wurde nach den Plänen von Riggenbach
von der Verladung an der Lahn bis zur Grube eine gemischte Adhäsions- und
Zahnradbahn mit drei insgesamt 618 m langen 10 %-Zahnradabschnitten errichtet.
Der Bau einschließlich Betriebsmittel kostete 165.000 Mark, davon entfielen
allein auf die Lokomotive 24.000 Mark. Der erste 90 m lange Zahnradabschnitt
überwand die Steigung zur Blechträgerbrücke über die Staatsbahnstrecke von
Lahnstein nach Bad Ems, der zweite 357 m lange Abschnitt lag direkt vor der
Grube, während der dritte 171 m lange Abschnitt die Grube mit der oberen Halde
verband. Die Werkstatt mit dem Lokschuppen lag auf dem Grubengelände, an der
Strecke im Tal gab es eine Ladestelle für die Aufbereitung "Rundherdbau III".
Der Endpunkt der Bahn war der "Lagerplatz bei Ahl" mit dem Hauptmagazin und
einer Anlegestelle für die Lahnschiffahrt. Hier gab es zwei Drehscheiben,
insgesamt waren 18 Weichen verlegt. Ein Anschlußgleis an die Staatsbahn gab es
(noch) nicht.
Die Bahn konnte die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, im ersten
Betriebsjahr wurden 21.542 t talabwärts und 3.466 t talaufwärts befördert, die
Fahrzeit für die gesamte Strecke incl. Aufenthalt an der Ladestellen betrug im
Mittel 30 Minuten. Während sich die Zahradtechnik bewährte, gab es auf den
1:20-Neigungen im reinen Reibungsbetrieb Schwierigkeiten beim Abbremsen der
Züge, nicht zuletzt durch die Verschmutzung der im Tal liegenden und durch
Hochwald führenden Gleise. Die Bergbau AG Friedrichssegen, zu der die Grube und
die Bahn seit 1900 gehörten, musste am 15. Juli 1913 die Zahlungsunfähigkeit
erklären. Die Anlagen konnten erst 1919 verkauft werden.
Die Zahnradlokomotiven
Die erste Lok lieferte die Hauptwerkstätte Olten der Schweizerischen Centralbahn, zur Grundausstattung gehörten auch 24 Transportwagen. Die Betriebsanlagen bzw. der Lokschuppen waren von Anfang an für eine zweite Lok eingerichtet, die 1882 von Krauss in München geliefert wurde. Sie erbrachte eine Leistung von 100 PS und trug den Namen "Friedrichssegen".
Name |
Hersteller |
Fabr. |
Baujahr |
Art |
Spur |
LüP |
Achsstand |
Dienstgew. |
Vmax |
Bemerkung |
|
|
Nr. |
|
|
mm |
mm |
mm |
t |
km/h |
|
GLÜCK AUF |
Olten |
28 |
1880 |
B/a-n2t |
1000 |
5230 |
1850 |
11,8 |
20/10 |
nach 1913 v/v |
FRIEDRICHSSEGEN |
Krauss |
1036 |
1882 |
B/a-n2t |
1000 |
5300 |
1850 |
11,9 |
20/10 |
nach 1913 v/v |
Auf der Grube
war übrigens noch eine weitere Lok im Einsatz, die in den Stollen einfuhr.
Oberursel Bj. 1908, 10 PS, B-bm mit Kette, geliefert an
Bergbau-Aktiengesellschaft Friedrichssegen, Friedrichssegen a.d. Lahn
Text: mit freundlicher Genehmigung von Jens
Merte
Link: zahnradbahn.de
Weitere Daten von der Grubenbahn aus der Chronik Friedrichssegen
Der Erbauer der Grubenbahn, A.
Kuntze, Ingenieur und Betriebsdirektor der Drachenfelsbahn in Königswinter, hat
dieselbe in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Band XXVI, Seite
169 eingehend beschrieben.
In dem Seitenthale der Lahn, welches bei Ahlerhütte - zwischen Ems und
Oberlahnstein - auf der linken Seite in das Lahnthal einmündet, liegen die
Grube, die Aufbereitungen und sonstigen Anlagen der >Anonymen-Actien-Gesellschaft
des Blei- und Silberbergwerks Friedrichssegen<.
Die Lagerplätze und die Hauptmagazine sind unmittelbar am Lahnufer gelegen; die
Entfernung von hier bis zur Grube beträgt etwa 2,5 km. Die gewonnenen Erze
werden auf den Lagerplätzen und in den Magazinen während kürzerer oder längerer
Perioden angesammelt, und da eine Verbindung mit der vorbeiführenden Staatsbahn
zur Zeit nicht vorhanden ist, von hier aus per Schiff zur Verhüttung
transportirt. Der Transport der Erze von der Grube nach der Lahn und der Kohlen
und sonstiger Materialien in umgekehrter Richtung geschah bis dahin per Achse.
Im Jahre 1879/1880 betrug das Quantum der thalabwärts transportirten Erze 18 000
Tonnen, das ist pro Arbeitstag 60 Tonnen; thalaufwärts wurden pro Tag etwa 14
Tonnen an Kohlen, Kalk und anderen Materialien transportirt, und waren damit
durchschnittlich15 bis 20 Pferde beschäftigt. Das Fahrkonto erreichte in diesem
Jahre die Höhe von 37 500 M.
Bei dem starken Verkehr war der Weg durch das Thal im Winter - und selbst bei
nur kurzer Regenzeit im Sommer - kaum fahrbar zu halten, und eine weitere
Steigerung der Production der Grube konnte wegen der Schwierigkeiten der Abfuhr
nicht stattfinden. Diese, besonders im Winter äußerst fühlbaren Mißstände
machten eine Verbesserung der Transporteinrichtungen dringend notwendig. Die
Direction der Grube zog den Verfasser in dieser Angelegenheit zu Rathe, und nach
Erörterung der verschiedenen, bei den vorliegenden Verhältnissen in Betracht zu
ziehenden Anlagen übernahm derselbe die Projectirung und späterhin auch die
Ausführung einer schmalspurigen Eisenbahn.
Die Bahn ist eine gemischte Adhäsions- und Zahnradbahn nach dem System
Riggenbach. Länge der durchgehenden Bahnlinie einschließlich der Abzweigungen am
Pochwerk und auf der oberen Halde 2.670 m; Höhendifferenz 119,4 m; stärkste
Steigung auf der Adhäsionsbahn 1:20 (50‰); Steigung auf der Zahnradbahn 1:10
(100‰); Länge der Zahnradbahn 618 m, verteilt auf drei Strecken von 90, 357 und
171 m Länge.
Oberbau: Die sehr kräftigen Stahlschienen sind 95 mm hoch, im Kopfe 50 mm, im
Fuße 95 mm breit und im Stege 12,7 mm dick und wiegen 25 kg pro lfd. Meter.
Dieselben ruhen auf eichenen Querschwellen von 1,8 m Länge. 18 cm Breite und 13
cm Dicke. Auf der Adhäsionsbahn beträgt die Entfernung der Schwellen von
einander 1,07 m (Fig. 7, Taf. XII); auf der Zahnradbahn ist dieselbe durch die 3
m langen Zahnstangensegmente bedingt zu 1 m. Unter den Zahnstangenstößen liegen
Schwellen von 1,8 m Länge, 24 cm Breite und 15 cm Dicke. Die Schienen wurden von
den Rheinischen Stahlwerken als Ausschußschienen einer größeren Lieferung für
den Preis von 170 M pro 1 000 Kg loco Hütte geliefert. Die normale Länge der
Schienen beträgt 9,14 m (30´engl.); ein kleiner Theil derselben ist 8,35 m
(28´engl.), 7,93 m (26´engl.) und 7,32 m (24´ engl.) lang. Die Schienenstöße
sind auf der Adhäsionsbahn schwebend, auf der Zahnradbahn schwebend oder fest
angeordnet, je nachdem die un- veränderliche Schwellentheilung von 1 m auf der
Zahnradbahn dies bedingte.
Betriebsmittel: An Betriebsmitteln
wurden zunächst 1 Locomotive und 18 Wagen und späterhin noch 6 Wagen beschafft.
Die Zahnrad-Locomotive ist nach den Plänen des Ingenieurs Riggenbach in der
Hauptwerkstatt Olten der Schweizerischen Centralbahn gebaut. Dieselbe ist eine
zweiachsige Tendermaschine mit horizontal liegendem Kessel (Fig. 1 bis 4, Taf.
XIV), welche sich von den gewöhnlichen Locomotiven besonders dadurch
unterscheidet, dass die Schubstange nicht direct an der Triebachse, sondern an
einer Zwischenwelle angreift. Letztere überträgt die Kraft durch zwei
symmetrisch zur Längsachse der Maschine angeordnete Zahnräderpaare auf die
Haupttriebwelle, welche in der Mitte das in die Zahnstange eingreifende Triebrad
trägt. Mit dieser Haupttriebwelle sind die Achsen der Adhäsionsräder durch
Kuppelstangen verbunden.
Die Bahn beförderte bis 1896 nur Güter. Ab 1896 beförderte ein Personenwagen bei
Bedarf die Beamten der Grube zu Berg und zu Tal.
In den ersten Jahren des Betriebes wurden an die Grubenbahnbediensteten folgende
Löhne und Gehälter pro Monat gezahlt:
Lokführer = 123,50 Mark; Bahnaufseher = 110,00 Mark; Heizer = 83,60 Mark;
Bahnwärter = 60,00 Mark; Bremser = 55,00 Mark.
Der Betrieb der Grubenbahn wurde zunächst nur mit einer Lokomotive, der "GLÜCK
AUF", aufgenommen. 1882 wurde dann die 2. Lokomotive, die "FRIEDRICHSSEGEN", von
der Maschinenfabrik KRAUSS in München gebaut und geliefert. Am 8. Februar 1882
wurde diese Lokomotive durch den Transportunternehmer Ledosquet nach
Friedrichssegen tranportiert. Dazu lesen wir im Lahnsteiner Anzeiger folgenden
Bericht:
Oberlahnstein 8. Februar: Am Samstag Vormittag wurde die zweite Locomotive die
"FRIEDRICHSSEGEN" für das Blei und Silberbergwerk "Friedrichssegen" bestimmt,
auf einem Rollwagen des Herrn Güterbestatters Ledosquet von Coblenz mit sechs
Zugpferden der schwersten Race bespannt, vom hiesigen Güterbahnhof durch die
Adolfstraße nach Ahl geschafft und zwar unter Begleitung des Herrn Directors
Heberle. Der Coloß (230 Zentner) langte bereits um 2 Uhr an seinem
Bestimmungsort, Bahnübergang beim Ahler Weg an, und wurde sofort auf das Geleise
der Zahnradbahn genannter Gewerkschaft gebracht.
Herr Ledosquet erhielt für den Transport M. 110,- und die Fuhrleute angemessene
Trinkgelder. Die kalte, trockene Witterung war dem Transporte, besonders auf dem
Wege der Lahn entlang, besonders günstig.
Über das Schicksal der Grubenlokomotiven "GLÜCK AUF" und "FRIEDRICHSSEGEN" ist
nicht viel bekannt. Die Lokomotive "FRIEDRICHSSEGEN" erhielt im Jahre 1899 bei
der Lieferfirma Krauss in München eine Hauptuntersuchung, aus der sie
einheitlich grau gestrichen wieder nach der Grube Friedrichssegen zurückkehrte.
Neben dem Elektrizitätswerk an der Lahn war die Grubenbahn und ihre beiden
Lokomotiven bis zuletzt im Dienste der Grube eingesetzt. Sie brachten all das,
was noch aus der Grube heraus geholt worden war zum Bahnhof Friedrichssegen, von
wo es dann nach der Grube Werlau bei St. Goar am Rhein zum weiteren Gebrauch
versandt, oder auf Schrotthalden gebracht wurde.
Über die Grubenbahn schreibt das Lahnsteiner Tageblatt unter anderem letztmals
am 14. April 1913:
Die Abbrucharbeiten auf der Grube Friedrichssegen sind schon sehr weit
fortgeschritten. Aus dem Grubenschachte und vom Tagschacht sind sämtliche
brauchbaren Eisenteile und sonstiges brauchbare Material schon entfernt. Die
schweren Maschinenkessel und Eisenteile werden, um den Transport zu erleichtern,
mit Sprengstoff auseinandergesprengt. Die noch betriebsfähige Grubeneisenbahn
befördert die Abbruchteile nach der Eisenbahnstation. In etwa 5 Monaten soll
der ganze Abbruch beendet sein.
Damit endet die nachweisbare Geschichte der Grubeneisenbahn.
Die Grubengesellschaft baut den Bahnhof Friedrichssegen
Oberlahnstein,
den 7. August 1881
Vor einiger Zeit wurde die Direction der Grube Friedrichssegen, durch deren
rastloses Schaffen das so rasch emporblühende Werk noch fortwährend größere
Dimensionen annimmt, wegen einer Haltestelle für Friedrichssegen bei Ahl, dem
Mittelpunkt zwischen Oberlahnstein und Ems an der Lahnbahn, bei den betreffenden
Behörden vorstellig, und soll, wie man vernimmt, bei der Dringlichkeit der Sache
diesem Wunsche demnächst entsprochen werden.
Oberlahnstein,
den 26. August 1883
Die Direction der Grube Friedrichssegen hat sich um die Anlage einer Haltestelle
bei der an der Lahneisenbahn zwischen hier und Ems gelegenen Ahler Hütte bemüht
und die betreffenden Zusagen erhalten.
Oberlahnstein,
den 17. Oktober 1883
Nächste Woche wird der Bau des Stationshauses der neuen Eisenbahn-Haltestelle
bei Ahl in Angriff genommen und wird dieselbe den Namen "Station
Friedrichssegen" tragen. Die Kosten des Baues sind zu 42 000 Mark veranschlagt.
Oberlahnstein,
den 19. Mai 1884
Die polizeiliche Abnahme der neuen Haltestelle Friedrichssegen (Ahl) der
Lahnbahn fand heute Vormittag statt 11 Uhr statt.
Einen tag später erfolgte die offizielle Eröffnung der Eisenbahnstation
Friedrichssegen (Ahl).